SPÄTE Nächte

Für das Glück (oder Unglück) der späten Jahre ist ihr Erreichen nur die Voraussetzung. Alles Weitere muss gegen ungeahnte Widerstände, Zweifel und diverse materielle wie physische Hürden erkämpft werden. Nein, Glück hat – in diesen Tagen – mit dem, was zufällig geschieht oder nicht, sehr wenig zu tun.

Manchmal, still am Fenster sitzend, siehst du den Wartenden dort unten zu, bis es Zeit ist, aufzustehen, um nach dem Unfertigen Ausschau zu halten, weil nur dies Hoffnung bedeutet; während die Vollendung jedes Werkes mit dem Zweifel leben muss, ob es tatsächlich gelungen sei. Nimm dir also wenigstens die Zeit zum Schauen, wenn du es schon nicht vermagst, sie dir zu lassen.

Und vielleicht bedeutet Glück – innerhalb des Schauens und nicht erst zuletzt:

Ein lebenslanges Unterwegs-Sein zur Heimat der Augenblicke, der einzigen Heimat, die ganz allein auf dich wartet, immer und immer irgendwo anders, so, wie das eine Mal die ungemähte und margeritenweiß leuchtende Wiese vor dem Baumhaus am Ende des immer enger werdenden Tales; ganz nah daneben, in den letzten, vom heraufziehenden Unwetter gefächerten Sonnenstrahlen, der mit braunem Gebüsch umsäumte Weiher als Spiegel des schwarz quellenden Wolken-Himmels und kurz darauf über den sandigen Uferweg wirbelndes Geäst. Dies alles wurde Heimat, in einem Augenblick, blieb es auch, bis jetzt, wie anderes. Warum nur?

Warum nicht klaglos einschlafen? Warum nicht fraglos enden?

DENN:

Welcher Sinn könnte überhaupt noch begründbar geltend gemacht werden für die ratlose Frage, wie es möglich war (und werden konnte), dass ein kleiner Teil der Menschheit längst jegliche Macht und Mittel besitzt, um mit jedem Tag wahrscheinlicher werden zu lassen, dass die Erde als Lebensraum für die gesamte Menschheit unumkehrbar zerstört wird? Genügt es daher,  „das Ganze“ weder als das Wahre noch als das Unwahre zu kennzeichnen, wie aus unterschiedlichen philosophischen Perspektiven behauptet wurde, sondern als das Zerstörbare? Und ist das Zerstörbare nicht seit jeher nur die „Oberfläche“ des Unzerstörbaren, ohne dass eine Frage nach letzterem sinnvoll formulierbar wäre? Nein, es genügt (mir) nicht und ja, es gibt (und ich habe) Fragen ohne Ende, nichts als Fragen.

Der Widerspruch als ein Zeichen der Wahrheit der Dinge? (Hegel)

Ihre Widerspruchslosigkeit als Zeichen ihrer Unwahrheit?