bookmark_borderZwischenräume zwischen Räumen

Es ist schwer – jedenfalls auf den zweiten Blick – zu beweisen, dass eine Stunde oder ein Tag vielleicht ganz anders hätte verlaufen können, als tatsächlich geschehen. Was gewesen wäre, wenn… – ist insofern ungültig, und was leichthin zum Schicksal (v)erklärt wird, tautologisch oder Schönfärberei.

Die „heile Welt“, soweit und -fern sie nicht das Unheil selbst darstellt, befördert es, indem sie es verschweigt. Die Fluten der Flüsse, der Meere und Ozeane treffen stets die Falschen, die Bewohner der Hütten, damit später die Palastbewohner an den Spenden-Telefonen ihr Gewissen publikumswirksam reinwaschen können.

Ist die Angst vor dem Unbekannten vielleicht nur die Schwester der Sehnsucht danach und beide Verbündete für eine gute Sache? Muss am Ende (wann immer) nicht eine letzte Frage erlaubt und nötig sein? Etwa: Schon vorbei?

Wenn der Blick und sein Bild mit einem Male klar werden, wenn sich etwas abzeichnet, als Erkenntnis, so verschwindet oft das Erkannte für einen Moment hinter dem Glanz des Erkennens, der es überstrahlt.

bookmark_borderNacht-Gespenster

Ist es möglich, das Undenkbare zu denken? IST, was ich mir vorstelle, oder existiert ES nur als ein (durch mich) mir Vorgestelltes? Und warum gegebenenfalls „nur“? Wann und warum stimmt ES? Genügt es, wenn ich davon als Wahrhaftiges glaube sprechen zu können? Und ja: Wie klingt es überhaupt und wie klingen unsere Stimmen, wenn es stimmt und wie, wenn wir, also du und ich, übereinstimmen?

Rechne ich nur, wenn ich richtig rechne oder rechne ich auch regelgerecht, wenn das Ergebnis ein- und derselben Rechnung jedes Mal ein anderes ist? Hatte Wittgenstein diese (von ihm auf-geworfene) Frage eigentlich beantwortet? Kann es ein sinnvolles Ergebnis oder ein kluger „Rechen-Weg“ sein, innerhalb der ständigen und ständig zunehmenden Berechenbarkeit (egal, ob nur scheinbar oder nicht), unberechenbar zu sein und zu bleiben?

Und wenn Freiheit ohne Gerechtigkeit nicht(s) ist: Mit welchem Recht „darf“ und „durfte“ Letztere dann von denen, die sich jeweils dazu ermächtigt und frei fühlten, „ein-gekürzt“ werden, wenn die für die Rechnung verwendeten Elemente die Wörter einer Sprache bilden und die Sprache als gewordenene, verwandelte und also wandelbare der Prozess selbst ist, in dem einzig und allein Recht gesprochen werden kann, soll oder wird?

Ich weiß nicht. Die Fragen von Bedeutung bleiben unbeantwortet oder unbeantwortbar. Und ständig kommen ungeahnte oder bereits gestellte, jedoch vergessene oder verborgene, oft versteckte dazu. Ist es also sinnvoll, unbeantwortbare Fragen zu stellen? Wie oder gar woher weiß ich, ob eine Frage unbeantwortbar ist oder nicht? Ist diese Frage – wenigstens innerhalb des Frage- und Antwortspiels – beantwortbar? Und warum führen die Zen- und andere Zirkel (etwa bei Douglas R. Hochstadters „Gödel Escher Bach“) am Ende zu nichts oder zum Nichts? Genügt es, „ETWAS“ als Nichts zu bezeichnen, damit es sei oder „nur“ existiere? Ich weiß es nicht.

Also weiter und kein Gedicht, nirgends! Nur das Ungewisse, Unbestimmbare und Geheimnisvolle als fortwährender Fluchtpunkt?

Fragwürdig? – Die Würde des Fragens, befreit vom Zwang der lichten Tage und immer noch sichtbar genug in tiefster Dunkelheit jeglicher Nacht.

bookmark_borderNacht-Flimmern

Wenn ich denke und sage, dass seitdem ALLES anders geworden sei…?

Wenn ich denke und sage, kein Tag sei vergangen seither und vergeht nun, an dem ich die Todesangst-Bilder der Tage und Nächte des Julis 2012 und die sie auslösenden Ereignisse nicht wieder und wieder vor Augen habe , um dennoch nicht fertig zu werden damit und mit ALLEM. ..?

Wenn ich sage und (endlich auch) schreibe und frage: Wie ist das nun mit dem klugen Satz von den Dingen und ihrem (geheimen?) Zusammenhang, also  all den Handlungen, Taten und GLÜCKLICHEN Umständen (wie auch immer, nur hilflos begründet, am Ende gar unbegründbar und Rätsel für sich), die jedenfalls mich weiterleben ließen, wo dies doch (nach Bypass-OP, Aneurysma-Verklebung und Vorhof-FLIMMERN seither) alles andere als absehbar schien?

Wenn ich denke und hier (warum nicht?) 20 Monate später erst schreiben KANN: DANKE! – Ist dann nicht für immer schon alles gesagt und atemzuggleich vielleicht nichts?

bookmark_borderAbend der Amsel

Anflug:

Berichte, was die Augen schauen

Beschreibe, wie das Unsichtbare

der Zauber ist in manchen Dingen.

Erzähle, wie die Hände schweigen.

Schon seit vielen Wochen erobert sich „meine“ Amsel (also scheinbar weiblich „an sich“, wie die Meise und allein schon deshalb irgendwie anders als die Kollegen Star oder Spatz?) allabendlich kampflos ihren Auftrittsort, vis à vis von meinem Fenster auf einem eisernen Balkongeländer, in luftiger Höhe unterhalb des Dachs. Von dort herab erzählt sie mir mit zwitscherndem Gesang in einer Sprache, die – so glaube ich zu hören – keine Fragen kennt, dafür, wer weiß, unendlich viele Laute, mit denen sie lautmalend beschrei(b)t, wie es Abend wird – vielleicht, und warum nicht?

Niemand außer mir – jedenfalls soweit ich sehen oder mir vorstellen kann und will – schenkt ihr die Beachtung, die sie sich längst verdient hat.

Reiht sich die kleine Begebenheit vom „Abendlied der Amsel“, wie alles Beschreiben seit jeher, nicht ein ins unermüdliche Abschreiben dessen, was den Sinnen begegnet. Und wären weder Ton, noch Zeichen oder Bild auch nur denkbar ohne ihre Vorgänger, um selbst, wieder „nur“ vorläufig, wieder und wieder anders zu werden? Alles in Allem: nicht mehr (sicher auch nicht weniger) als mitunter geglückte Versuche, dem sinnlos Erscheinenden doch noch Erlebenswertes abzuringen – wortwandelnd, einordnend, konstruierend, spekulierend, träumend?

Und jetzt – wie um das soeben Notierte nachdrücklich zu bestätigen – fliegt die Sängerin diagonal hinunter, fast bis zu meinem Balkon und zu mir, lässt sich auf einem Stromkabel nieder, das die inzwischen brennenden Straßenlaternen versorgt, und kommt allmählich zum Schluss ihres Abendgeläuts. Nach dem letzten Ton schwirrt sie in hohem Tempo ab und stürzt sich kopfüber in die hereinbrechende Dunkelheit ihrer Stadt. Vorhang!

bookmark_borderSelbstgespräch in der Lichtzeit

„Das Gewicht der Welt“ (Peter Handke): nach eigenen Maßen abwägbar und aufgezeichnet spürbar, Tag für Tag, als Lauf der Bilder, Worte und Geräusche, später in der abendlichen Lichtzeit, wenn im Haus die Stille wartet. Sie erzählt mir nur von sich; darin hat sie große Kraft. Wir verstehen einander und schweigen nach einiger Zeit. Etwas später verlasse ich sie, um irgendwann wieder zurückkehren zu können.

Warum lächelte, vorhin auf dem Gehweg, die Entgegenkommende mir zu? Oder habe ich möglicherweise, ohne es zu bemerken, zuerst gelächelt? Dann wäre ihr Lächeln nur die Antwort gewesen? Aber warum eigentlich „nur“? Und wie hätte diese Begegnung an irgendeinem anderen Tag, aus dem Blickwinkel von Beiden, ausgesehen?

Was wäre heute alles anders, wenn der und jene an einem „bestimmten“ Tag, zu einer bestimmten Zeit nicht genau diesen Ort aufgesucht hätten? Und warum schleicht sich hier förmlich das Wörtchen „bestimmt“ ein, wo es sich, von Fall zu Fall, doch nur um Zufall handeln kann? Welche Vorstellung lässt sich mit dem Satz von Anselm Kiefer verbinden, dass „die Dinge auf ihren Zusammenhang warten“ würden? Wie wird etwas und einer ein anderer? Wie bin ich geworden, der ich bin? Wie zufällig ist das, was ich als meinen Weg kenne? Kenne ich ihn überhaupt?

Wann habe ich zuletzt meinen Händen dabei zugeschaut, wie sie etwas tun? Wer erreicht sie? Wen und was erreichen sie? Tun sie, was ich will? Wollen sie, was sie tun? Oder sind sie (schon wieder:) „nur“ Werkzeuge, wie alle anderen Körperglieder und die Organe auch? Dann wäre der rege Neuronenverkehr im Gehirn zwischen den Zellen nichts anderes, als die lautlose Werkzeugsteuerungs-Anlage, also das Werkzeug zur Inbetriebnahme der Werkzeuge? Aber – so könnte ich mich, fragend, vielleicht beruhigen – haben die Hände nicht vor einiger Zeit mal „da oben“ (wie in Ottos wundervollem Sketch) Bescheid gesagt, man möge sich freundlicherweise merken, wie sie das gerade gemacht hätten, damit sie nicht sinnlos Energie vergeuden müssten, um es immer wieder von Neuem zu erlernen? Und was wäre ich ohne meine Hände, beim Sichten der alltäglichen Handlungen da draußen, hier drinnen?