bookmark_borderNachtnotiz 3

Nicht im Wein, im Weinen liegt die Wahrheit.

Das Maß der Dinge – beinahe jedes hat es als sich veränderndes. Was wir erkennen, kann allein schon deshalb nicht beständig sein und uns also auch nicht sagen, was und wie es beschaffen ist.

Zuerst vergessen wir, um überhaupt weiter und weiter leben zu können; am Ende vergessen wir, damit das Sterben leichter fällt.

Die Sehnsucht ist immer im Recht, mehr noch: sie ist das Recht und auch die Richterin.

So verbringe ich schweigend viele Stunden mit dir, dem Anderen, der Anderen, dem ganz Anderen in mir. Du sagst, das seien nur Worte, konstruierte Gedanken, unerlaubte Abstraktionen? Nein, es handelt sich ganz einfach darum, was überhaupt geschieht: die einzig wahren und wahrhaftigen Begebenheiten ereignen sich  im Kopf, und sobald sie ihn verlassen, fehlt ihnen immer (und not-wendig!) das, was die ganze Wahrheit wäre.

bookmark_borderNachtnotiz 2

Stimmen der Nacht: wie und warum es so ist, weshalb jenes geschah, sich anderes ereignete und ein drittes nicht eintraf, das vielleicht alles Vorherige und manches Weitere verändert hätte? So verlockend wie sinnlos und doch immer hörbar.

Das Ausreißen einer beschriebenen Seite bedeutet: niemand soll und wird sie jemals lesen. Es bedeutet aber auch: das Geheimnis zu wahren.

Wer zwischen den Zeilen liest, wird am Ende nur endecken, was er selbst erst hinein geschrieben hat.

Die Nacht entdeckt das Geheimnis, und sei es als Traum; sehr oft aber verbirgt sie es oder zaubert eine neues aus dem Ärmel ihrer Freundin, der Wahrheit – fast spielerisch und doch URTEIL…

bookmark_borderDer Toten Geist

Auf dem Bogenhausener Friedhof in München: das Grab von R. W. Fassbinder, ein schlichter Stein, auf den jemand einen kleinen, herzförmigen Stein gelegt hat. „Das hätte ihm sicher gefallen.“ Außerdem dort zu entdecken: Liesl Karlstadt (rotes Herz), Walter Sedlmayr (Auge des Geistes), Helmut Fischer, die Familie Herburger und natürlich Erich Kästner. Leise Gefühle der Verbundenheit mit allen, ohne auch nur einen persönlich gekannt zu haben. Der „Geist der Toten“, wie er seit Jahrtausenden überall auf der Welt lebendig geblieben ist; es scheint ihn hier tatsächlich zu geben, als das, was plötzlich fühlbar herüberdringt und auch nur an Orten wie diesem spürbar werden kann.

bookmark_borderNachtnotiz 1

Die heile Welt, soweit sie nicht das Unheil selbst ist, befördert es, indem sie es verschweigt

Wenn etwas klar wird, etwa als Erkenntnis, verschwindet das Erkannte für einen Moment hinter dem Glanz des Erkennens, der es überstrahlt, und – Gedankensprung – die Angst vor dem Unbekannten wird allein besiegt durch die Sehnsucht danach

Auf welch unterschiedliche Weise man vom Weg abkommen kann, zeigt sehr schön das Wort „VERGEHEN“…

Und ein weiteres Mal: verzweifelte Stille, die laut werden will, die immer noch stillere Schreie verhüllt, gleichzeitig die Angst, dass die Schreie verstummen und die Stille ganz leer, unzerstörbar gefriert. Das TOTENREICH – was für ein gewaltiges Wort für das Nichts!

Wer am alltäglichen Wahnsinn nicht zu Grunde gehen will, dem bleibt nichts übrig, als ihm auf den Grund zu gehen.

bookmark_borderWahrheit?

All die vielen Wahrheiten und all das, was ihnen als Wirklichkeit jeweils zu Grunde liegt bzw. sie für „wirklich wahr“ behaupten – es ist am Ende die eigene Wahrheit, die (er)zählt, und nicht zuletzt so, dass man möglichst damit leben kann.