bookmark_borderWas bleibt…

PROLOG-ENTWURF zu:
Bleibst du, wenn du gehst?“ – Theaterstück von Christian Lex
(Für Christian, Matthias, Michaela und Stefanie)
Die vier Spieler begehen die Bühne, kreuz und quer; sie sprechen einander nicht direkt an, sondern entweder ins Publikum oder ins „Leere“. Keiner von ihnen ist konkret als „Gehender“ gemeint; jeder (auf der Bühne, im Saal und überall) könnte es sein.Es ist ein Kreisen (auch optisch) um den Verlust und um das, was dennoch bliebe.
J:             Du gehst?
F:            Ja, was sonst?
H:           Aber, wie?
L:            Geh nicht, bleib da, irgendwie!
F:            Es geht nicht!
L:            Vielleicht doch?
J:             Ja, bleib einfach!
H:           Ich muss aber gehen.
F:            Aber du kommst wieder!
L:            Wer weiß?
H:           Ich weiß nicht.
Alle:       Wir alle werden einmal gehen, jeder, irgendwann.
J:             Ich muss – jetzt – bald!
Alle:       Aber etwas bleibt, wenn du gehst?
F:            Eine Zeit lang?
Alle:       Vielleicht sogar – für immer?
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bookmark_borderNachtLicht

Das nächtliche Denken führt und verführt mitunter dazu, die heraufziehenden Tage vorausträumend und, als verschwimmend fragliche Zukunft, gering zu schätzen, ja sogar flüsternd zu fragen: Hätte all das „lichtscheue Gesindel“ nicht ein wenig mehr nachsichtige Beachtung verdient, wenn die Nacht als „Freundin der Wahrheit“ bezeichnet werden konnte und dafür gilt?

Die (Nacht)Gedanken sind immerhin frei genug, um für möglich zu halten, dass die ihnen zugesprochene Freiheit eine Illusion ist, bzw. es sich überhaupt ganz anders verhalten könnte. Insofern ist es praktisch oder tatsächlich bedeutungslos, wie frei ich mich fühle, sobald ich entdecke, wie und mit welchem Interesse versucht wird, mir einen Tauschwert für die Ware Freiheit einzureden; beispielsweise und aktuell, vermutlich auch sehr gern (wie es zurzeit überall dienstfertig schallt), angeboten vom deutschen Bundespräsidenten persönlich, als pseudo-intellektuelle Gleichung, in der Freiheit zur Verantwortung umgetextet wird.

LICHT, soviel wird täglich klarer, gibt es nur jenseits all jener, dank ihrer Geschwätzigkeit, Gewählten:

„Wir machen hier was für das Leben, also machen wir auch was gegen rechts.“ – O-Ton in einer Reportage, die von einem Bürger einer Kleinstadt im Nordosten Deutschlands berichtet, der dort, wo es inzwischen 15% Nazi-Wähler gibt, ein Theater betreibt.
„Mehr als Trost ist: Auch du hast Waffen.“ Franz Kafka, Tagebücher (1923)

bookmark_borderLogische Nacht(Grenzen)

Dass etwas möglich ist, schließt ja nicht aus, dass es nie eintreffen wird. Was also möglich war, kann – rückblickend –  nicht mehr möglich (geworden) sein; und umgekehrt: was unmöglich schien, geschah doch. Die vergehende Zeit erst setzt die Logik (nachträglich) in Gang, der Verstand sie, wie es ihm gefällt , außer Kraft. Wenn alles möglich ist, so schließt dies – logisch – auch die Möglichkeit ein, dass eben nicht alles möglich ist.

Unsere Sprache „erlaubt“ solche und ähnliche, paradoxe Formulierungen: „Ich gebe dir mein Wort, dass ich jedes dir von mir gegebene Wort brechen werde.“ Alle Bemühungen, diese, nach dem Muster des „Ur-Paradoxons“ des Epimenides (der lügenden Kreter) gebildeten, widerspruchsvollen Sätze sprachlogisch oder mathematisch aufzulösen, müssen bislang damit leben, letzten Endes in sich selbst nicht widerspruchsfrei zu sein, oder sein zu können?!

Und so kann es geschehen, dass die Sucher und Erfinder nicht immer alles restlos verstehen, was sich ereignet, wenn ihre Beobachtung das Verhalten des zu Beobachtenden verändert… (Die Quantenphysik und ihre Konsequenzen sind geradezu exemplarisch für das Denken an den Grenzen, auch denen der Sprache und „ihrer“ Logik.)

Es scheint an der Zeit, dass nicht nur Mathematik und Logik sondern WIR, DIE SPRECHENDEN, DIE SPRACHE als durchaus lebhaftes und „lebendiges Wesen“ behandeln, mit dem Recht auf ein widersprüchliches Eigenleben, wie jedes andere Lebewesen auch, um schließlich dahin zu gelangen, das Fehlen unwiderruflicher Wahrheiten besser zu ertragen.

Das Zerbrechliche ist unzerstörbar; es trägt die Zerstörung bereits als Möglichkeit in sich.

bookmark_borderUnter uns

Nächtliche Fehler-Suche

Ein Fehler existiert nur für den, der ihn auch einzusehen vermag – worauf, trotz der tagtäglich hohen Fehlerquote insgesamt, keinerlei Rücksicht genommen wird. Wer den Fehler bei jemand anderen feststellt, sieht sich auf der Seite der Wahrheit oder wenigstens als Anwalt des Regelgerechten. Doch auch dies ist nur einer der vielen, scheinbar unvermeidbaren Fehler. Fehler haben einen schlechten Ruf, werden angestrichen, geahndet, bestraft, sogar verurteilt. Während des Schreibens dieser  Zeilen habe ich ein paar unterschiedliche Schreibfehler korrigieren müssen. Und fast jede Korrektur führte zu mehr Klarheit in der Formulierung. Fehler haben zu Unrecht einen schlechten Ruf.

Wer (seit der Kindheit) einen Sprach-Fehler (?) hat und stottert, bemüht sich (oft ein Leben lang und in der Regel vergeblich), den Fehler zu vermeiden oder wenigstens zu verstecken. Aber ist es überhaupt ein Fehler, nicht so zu sprechen, wie es die meisten Anderen tun? Und wie sprechen die „meisten Anderen“ in Rosenheim, Köln oder Kreuzberg? Ist ein Stottern im Schriftdeutsch weniger fehlerhaft als ein solches im Dialekt?

Unter uns…

Gehen wir, um nicht stehn zu bleiben.

Ruhen wir aus, um nicht zu stürzen.

Reden wir, um uns mitzuteilen,

was der Fall ist, unter uns.

Fragen wir, um des Fragens willen.

Schweigen wir, um uns zu erkennen.

Gehen wir also gemeinsam, ein Stück des Wegs.

bookmark_borderNächtliche Umwege

Nur, falls du es vergessen haben solltest: Es gab sie, diese Stunden, diese Tage, in denen du das Leben fiebernd bei dir hattest und jedes Wort, an dich gerichtet, glücklich war – voller Schmerz nur, weil du immer dachtest, dass die Tat dem Wort nicht folgen kann.

 Die Wege lerne kennen,

auf die der Zufall dich gelockt.

Dass (mir) alle bleiben, die schon längst und lange fort sind, weiß ich immerhin solange, bis ich selbst nicht mehr bleiben darf.

Der Eigensinn, den ich meinem Leben zu geben versuche, ist verschieden von dem, den das Leben mir nahe legt. Und immer ist es eine bizarre, zerbrechliche Konstruktion, die dabei für kurze Zeit entsteht, weil wichtige Teile fehlen und andere nicht zusammen-passen – kein Haus, um dauerhaft darin zu wohnen!

Von all den Wahrheiten und all den Wirklichkeiten, die sie begründet haben mögen, bleibt mir am Ende nur: meine Wahrheit, die mir die Wirklichkeit so beschreibt, dass ich damit leben kann. Wenden wir uns also den bedeutenden Dingen zu, indem wir sie uns deuten. Ein Leben reicht dazu nicht aus – na und?

Ist es (nicht) furchtbar, dass etwas „furchtbar schön“ genannt werden kann?