bookmark_borderSilvester-Nacht-Stille (2014 / 2015)

"Nur wir Verletzten hören die Schönheit und sehen die Weite…und wir behaupten uns immer wieder als Rätsel…"1 

                               "…überzählig in den goldenen Städten

                               und im grünenden Land…" 

 …ausharrend und den Gedanken, sie beschreibend, wie sie kommen und gehen, sich anvertrauend, um das Glück und Leid allen Erkennens schmecken zu lernen?  Es sind die Splitter der je eigenen Welt, aufgezeichnet, in gewisser Weise, auch für die Welt da draußen. Doch dies – es kann nicht anders sein – bedeutet immer Einsamkeit.

1 Peter Handke: "Über die Dörfer"

2 Ingeborg Bachmann: "Exil" (Gedicht)

 

Des Windes Stille

auf weitem Feld –

dies ist kein Ort, kein Land mehr

für Worte, die bleiben.

Es fliehen in Windes Eile

die letzten davon.

bookmark_borderNachtgespräch der Freundinnen

Nacht: Findest du nicht, dass viel zu viel (und viel zu oft völlig grundlos) von dir und in deinem Namen gesprochen wird?

Wahrheit: Mag sein, aber wie es aussieht, genügt es nicht mehr, dass alles Mögliche einfach nur da ist; es muss auch wahr sein, damit es geglaubt werden kann. Und wenn dann erst mal so ein richtig fester Glaube entstanden ist, kommen immer mehr Wahrheiten hinzu…

Nacht: …und dann wird wahr gemacht, was später niemand mehr wahr haben will, nicht wahr? Aber nun sag endlich: Was an dir ist denn nun das Wahre, das ein jeder unbedingt glaubt, verkünden zu müssen?

Wahrheit: Alles, alles ist wahr bei mir, seit jeher, so wie alles frei ist bei der Freiheit oder schön bei der Schönheit…

Nacht: …schon gut! Aber du sagst ja selbst, dass es so viele Wahrheiten gibt, täglich neue?

Wahrheit: Ich sage nur, dass die Wahrheit wahr ist – nicht mehr und nicht weniger.

Nacht: Und woher weißt du das und wie bist du zu diesem Wissen gekommen?

Wahrheit: Ich weiß es allein durch mich selbst, allerdings nicht, auf welche Weise dies geschehen ist.

Nacht: Und das ist wirklich wahr?

Wahrheit: Aber ja – wie könnte ich lügen?

Nacht: Die Wahrheit kann nicht lügen?

Wahrheit: Wer weiß? Wenn alles möglich ist, dann ist es natürlich auch möglich, dass…

Nacht: …nicht alles möglich ist, ich weiß. Aber das ist jetzt alles bestimmt wieder nur eines deiner Sprachspiele, nicht wahr?

Wahrheit: Klar, was sonst?

Nacht: Jetzt mal im Ernst: Kannst du nun lügen oder nicht?

Wahrheit: Wenn’s der Wahrheitsfindung dient?

„Jener gute alte Grieche (Lysander = 4. Jh. v. Chr.) sagte, die Kinder spielten mit Knöchelchen und die Männer mit Worten.“ 1)

„…dass ich nur als ein Fragender und Unwissender spreche…Ich lehre nicht, ich berichte.“ 2)

1) 2) Michel de Montaigne: „Essais“ Manesse Verlag, Zürich 1992 (8)

bookmark_borderNovembernacht-Splitter

„Sie wandern in dicken Nebeln an dem mit Schilf bewachsenen See: aber niemals werden sie sich ohne den Gesang zu der Wohnung der Winde erheben.“
Ossian (Schottischer Barde 3. / 4. Jh.) über: „Die Geister der Toten“

Die Nacht verbirgt, beschützt und offenbart zugleich die Geheimnisse als unverratbare Rätsel.

Eine Philosophie, die entstanden wäre, ohne die Dunkelheit der Nacht (sowie diese an und für sich) zu kennen, hätte vermutlich weniger Wahrheitsmöglichkeiten als eine, die vom Tageslicht nichts wüsste – glaubt ein Nachtmensch.
Warum also nicht von Zeit zu Zeit, von Nacht zu Nacht den nie versiegenden Wahrheiten all der unerzählten Geschichten folgen und von Wort zu Wort, von Frage zu Frage, von Sehnsucht zu Sehnsucht, von Schmerz zu Schmerz, also von Tag zu Tag voranschreiten?
Nie fraglos und – als mitspielender Spielverderber – allein das Verlieren zu Weg und Ziel erklären, weil doch sogar die Liebenden in jedem Fall verlieren?
Doch wäre das nicht gerade so, als käme es nur darauf an, die Niederlagen genießen zu lernen?
Am Ende also kaum mehr als resignativer Zynismus des (oder der) mit sich selbst Beschäftigten, angesichts der vielen Millionen, die nichts (mehr) oder nie irgendetwas zu verlieren haben oder hatten?
Wieviel verzweifelte FREIHEIT als „Einsicht in die Notwendigkeit“ (Friedrich Engels) ist nötig, um nach einer der Niederlagen einfach liegen zu bleiben; und sei es nur, um dem nächsten Niederschlag zu entrinnen, also ganz und gar nicht den interessierten Einflüsterern zu folgen, ein „guter Verlierer“ zu sein?
Indessen: Nur wenn und indem gegen jegliche Interpretation (oder gar Instrumentalisierung) der FREIHEIT wegen begründeten Ideologieverdachts ermittelt und Einspruch erhoben wird, mag und kann es gelingen, den ihr einst zugedachten Begriff, als einen mit sich selbst identischen, zu bewahren und jeder Herrschaft des Menschen über den Menschen, wie sehr sie sich auch moralisch ummäntelt, mit unnachgiebigem Widerstand zu begegnen.
In Anbetracht der jeglicher Herrschaft förderlichen und willkommenen „schweigenden Mehrheit“ wird deutlich, weshalb es vom Schweigen schon im Alten Testament hieß, dass es Gold sei. (Für all die „Gaucks“ und sonstigen Werte-Händler)

bookmark_borderMAUERSCHAUER

Wieder einmal haben Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident Joachim Gauck und – mit ein wenig Verspätung – auch Sie, sehr geehrter Herr Wolf Biermann, allergrößte Zivilcourage bewiesen und – aus aktuellem Anlass – das deutsche Volk vor der verbrecherischen, stalinistisch-kommunistischen SED-Nachfolge-Partei „Die Linke“ gewarnt. Unfassbar, nicht wahr, dass gleich mehrere Millionen Bundesbürger dieser Partei seit Jahren bei Wahlen ihre Stimme anvertrauen, wo diese doch noch immer – irgendwie – von Moskau aus ferngesteuert, also „reaktionär“ sei, wie Sie, Herr Biermann, glaubhaft versichern konnten?

Und wieder einmal ist es Ihnen gelungen, ohne sich selbst ins Rampenlicht (hier: der Gethsemane-Kirche bzw. dort: des Deutschen Bundestages) zu setzen (schließlich wurden Sie ja jeweils dorthin „gelockt“, wie Sie, Herr Biermann, es nannten), durch Ihre bedeutsamen Ausführungen nahe zu legen, dass es ohne solch mutige Bürgerrechtler, Freiheitskämpfer und zutiefst demokratische Revolutionäre, wie Sie es waren und immer geblieben sind, nie und nimmer zum Fall der Mauer, diesem historischen Ereignis, das sich in diesen Tagen zum 25. Mal jährt, gekommen wäre.

Natürlich wird es wieder einige so unverbesserliche wie unbelehrbare Zeit-Zeugen geben (-Genossen passt ja nicht so ganz, nicht wahr?), die daran erinnern, dass Sie, Herr Biermann, sich 2003 für den Irakkrieg der USA ,unter George W. Bush, aussprachen, in dem doch – wie immer in den Kriegen der USA – einzig und allein die Demokratie und die Freiheit der westlichen Welt verteidigt wurde, und dass Sie, Herr Biermann, die vielen deutschen Kriegsgegner als „Nationalpazifisten“ verhöhnten, oder dass, wie der SWR-Korrespondent in der DDR, Gerhard Rein, unterstützt vom Mitbegründer des „Neuen Forums“, Hans-Jochen Tschiche, schrieb, „ein politisches Engagement gegen den repressiven Staat“ durch Sie, Herr Bundespräsident, vor dem Oktober 1989 „nicht auszumachen“1 gewesen sei. All diese ewigen Nörgler sind eben nichts als Sympathisanten oder gar Wähler des „elenden Rests“, wie Sie, Herr Biermann, die im Bundestag vertretenen Abgeordneten der „Linken“ charakterisierten.

Oh ja, die „Reaktionäre“ von CDU, CSU und SPD, die Sie zum Gitarrenspiel eingeladen hatten, wussten selbstverständlich ganz genau, was sie außerdem (und gratis) von Ihnen erwarten durften, und natürlich durften Sie diese Erwartungen wirklich nicht enttäuschen.
Es bleibt uns allen also nur: Zu hoffen, dass Sie, sehr geehrte (Ex-)Bürgerrechtler, nicht müde werden, sondern wachsam bleiben und uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass „der Schoß…“ (Sie wissen schon – das war zwar mal anders gemeint, aber egal, oder?), falls es denn tatsächlich dazu kommt, dass der „Wessi“, Bodo Ramelow, die ehemailge FDJ-Funktionärin, Christine Lieberknecht, als Thüringischer Ministerpräsident ablösen sollte, was Gott um Himmels Willen verhindern möge, sofern es ihn gibt und es ihm opportun erscheint.

1  „Tagesspiegel“ vom 24.2.2012

„DER MAUERSCHAUER

Schaut doch, wie schön! Es ist gerade Frieden hier im Hinterland, und darum kann ich das sagen….Aber warum fällt mir das Schönfinden heutzutage schwerer und schwerer?“

(Peter Handke: „Das Spiel vom Fragen“, S. 14, Frankfurt am Main 19902 Suhrkamp Verlag)

bookmark_borderBotschaften

Am Anfang war das Bild

als Schatten an der Höhlen-Wand

als Angesicht im Wasser-Spiegel

und gleich beim ersten Anblick: Täuschung!

 

Den Bildern folgen die Gesänge

verstummter Zauber ferner Klänge.

 

Auf Steinen zeigen frühe Meister

wortlos die Spuren jener Geister:

geheime Zeichen weiser Ahnen

die an ein ewig‘ Rätsel mahnen.